DAM-Pilotmissionen
Ausschluss der Fischerei mit Grundschleppnetzen in Schutzgebieten von Nord- und Ostsee
Nordseekrabben, Schollen, Seezungen, Steinbutt und Kabeljau sind begehrt auf unserem Speiseteller. Doch ihr Fang kann die Lebensräume am Meeresboden beeinträchtigen und viel Beifang von Jungfischen und anderen Meerestieren verursachen.
Zu der mobilen, grundberührenden Fischerei zählen verschiedene Arten von Grundschleppnetzen: Bei den Baumkurren wird das Netz durch einen Querbalken aus Holz oder Metall offengehalten und sie gleiten auf Kufen über den Grund. Für den Fang von Plattfischen werden sie mit Scheuchketten bestückt; Baumkurren zum Krabbenfang arbeiten mit einem Rollengeschirr. Grundschleppnetze, die mit Scherbrettern horizontal offengehalten werden, nennt man Grundscherbrettnetze.
Pilotmission “MGF Nordsee”
Projektpartner:
– Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung AWI
– Carl von Ossietzky Universität Oldenburg UOL
– Johann Heinrich von Thünen-Institut Thünen
– Senckenberg am Meer, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung SAM
– Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Zentrum für Material- und Küstenforschung HZG
Projektleiterin: Prof. Dr. Karen Wilshire (AWI)
Koordinatorin: Dr. Sabine Horn (AWI)
E-Mail: sabine.horn@awi.de
Pilotmission “MGF Ostsee”
Projektpartner:
– Leibniz-Institut für Ostseeforschung IOW
– Universität Rostock Uni Rostock
– Senckenberg am Meer, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung SAM
– Universität zu Köln Uni Köln
– Johann Heinrich von Thünen-Institut Thünen
– Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel GEOMAR
– Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Projektleiter: Prof. Dr. Klaus Jürgens (IOW)
Koordinatorin: Dr. Christina Schmidt (IOW)
E-Mail: christina.schmidt@io-warnemuende.de
Leben am Meeresboden in Nord- und Ostsee
kontext: Schutz und Nutzung von Nord- und Ostsee
In den folgenden Absätzen sind Informationen zum Hintergrund der DAM-Pilotmissionen zusammengestellt. Konkret geht es um Schutz und Nutzung der Gebiete von Nord- und Ostsee, die zu der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) gehören. Wie diese Gebiete genutzt werden dürfen, ist in der marinen Raumordnung geregelt, in der auch die Meeresschutzgebiete erfasst sind. Den Rahmen für die Bewertung des Umweltzustands von Nord- und Ostsee bildet die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Die Fischerei mit Grundschleppnetzen gehört zu den menschlichen Nutzungen, die in naher Zukunft in den Schutzgebieten ausgeschlossen werden, um negative Effekte auf die Lebensräume am Meeresboden auszuschließen.
Marine Raumordnung: Steigende Konkurrenz um den Platz im Meer
In den Werbetexten der Tourismus-Destinationen von Nord- und Ostsee wird sie angepriesen: „die unendliche Weite des Meeres“, doch am weiten Horizont zeichnen sich vielerorts auch reger Schiffsverkehr und Windräder ab. Genauso wie an Land konkurrieren auf dem Meer unterschiedliche Nutzungen in steigendem Maße um Flächen, die in auch in Nord- und Ostsee begrenzt sind. Schifffahrt, Offshore-Windkraft, Fischerei, Rohstoffgewinnung und weitere Nutzungen beanspruchen Raum, ebenso die Belange von Umwelt- und Naturschutz.
Wer Urlaub an den Küsten von Nord- und Ostsee macht, kann am Strand den weiten Blick auf den Horizont genießen. Hier ist es kaum vorstellbar, dass die Meere vor unserer Haustür zu dem am intensivsten genutzten Meeresgebieten weltweit gehören.
Meeresraumplanung soll Nutzungsinteressen und Schutzansprüche koordinieren für die nachhaltige Entwicklung auf dem Meer. Für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee gelten entsprechende Raumordnungspläne:
Meeresschutzgebiete: Erhalt von Ökosystemen und Artenvielfalt
In der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee befinden sich sechs Meeresschutzgebiete, die zu den so genannten Natura 2000 Gebieten gehören, ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union. Der Schutz von gefährdeten, wildlebenden Pflanzen und Tieren in ihren natürlichen Lebensräumen wird in den Natura 2000 Gebieten von der Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) geregelt.
Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000 dient dem Schutz der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen. Die zehn Natura 2000-Gebiete in der deutschen auschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee sind als sechs Naturschutzgebiete seit dem 22.09.2017 unter Schutz gestellt:
In allem geht es darum, eine Balance zu finden zwischen dem notwendigen Schutz der Meeresnatur und natürlich den Interessen einer nachhaltigen Meeresfischerei
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie: Noch kein guter Umweltzustand
Meere spielen eine zentrale Rolle für das Klima, zählen zu den bedeutendsten Ökosystemen der Erde, sind reich an biologischer Vielfalt, liefern Rohstoffe und Nahrungsmittel, dienen als Verkehrswege und bieten wertvollen Erholungsraum. Meere beeinflussen das Leben der Menschen auf vielfältige Weise. Gesunde Meere, die geschützt und nachhaltig genutzt werden, sind daher von zentralem, gesamtgesellschaftlichem Interesse. Für den Umweltzustand von Nord- und Ostsee bildet die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) einen einheitlichen Ordnungsrahmen. Die EU-Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um bis Ende 2020 einen darin beschriebenen guten Zustand der Meeresumwelt zu erreichen.
Angespülter Müll am Strand ist ein sichtbares Zeichen für die Verschmutzung der Meere. Doch der Hauptteil der Verschmutzungen von Nord- und Ostsee ist für uns unsichtbar. Die Auswirkungen können allerdings gravierend sein.
Der Druck auf die Meere ist gewachsen, damit sind sie geschwächt. Das, was auf uns zukommt, bedarf aber gesunder und starker Ökosysteme
Auswirkungen der mobilen grundberührenden Fischerei
Für die sogenannte mobile grundberührende Fischerei (MFG) werden Grundschleppnetze eingesetzt, um Schollen, Seezungen, Kabeljau (Dorsch) oder Nordseegarnelen (“Krabben”) zu fangen. Diese Fischereimethoden können den Meeresboden und die dort siedelnden Lebensgemeinschaften erheblich beeinträchtigen und somit im Widerspruch zu Schutzzielen stehen. Verschiedene Forschungsprojekte belegen, dass intensive Fischerei am Meeresboden deutliche negative Effekte auf die Artenvielfalt und die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften haben kann.
Für die Probennahme am Meeresboden: eine 3-Meter-Baumkurre auf dem Fischereiforschungsschiff Clupea beim Auslaufen vor Rostock im Juli 2020.
Es ist ganz in unserem Interesse, alle Kenntnisse und Erfahrungen der Wissenschaft einzubeziehen in vernünftige Managemententscheidungen
Ökosystemforschung und Management in Schutzgebieten
Derzeit gibt es kaum ungestörte Meeresböden in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee. Daher bieten die DAM-Pilotmissionen eine einmalige Gelegenheit, zu verfolgen, wie sich die Meeresschutzgebiete mit ihren ökosystemaren Funktionen und ihrer Artenvielfalt am Meeresboden zukünftig entwickeln, wenn die mobile grundberührende Fischerei ausgeschlossen wird. Die Ergebnisse bilden eine wichtige Grundlage für ein zukünftiges Management der Schutzgebiete in Nord- und Ostsee.
Im Grundschleppnetz gelandet: Fang zu Forschungszwecken im Fehmarnbelt neben einem ausgewiesenen Natura 2000 Schutzgebiet im Juli 2020. In dem Korb sind Plattfische (hauptsächlich Klieschen, einige Schollen und Flundern), Heringe und Sprotten sowie ein Seehase (der grünblau gefärbte Fisch). Außerdem Schalenklappen der Islandmuschel.
Sortierung eines Baumkurren-Fangs vor Nienhagen bei Rostock im Juli 2020: In dem weichen Meeresboden leben viele Islandmuscheln, die auch mit im Netz landen. Islandmuscheln können in der Ostsee über 30 Jahre alt werden, in den tiefen und kalten Gewässern rund um Island sogar über 200 Jahre.
Größenanalyse vom Steinbutt: Um den Zustand der Fischbestände in Nord- und Ostsee zu analysieren, werden Fische zu Forschungszwecken gefangen und vermessen.
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