
Ocean Future Lab
Wie wollen wir mit den Meeren leben?
Die Ozeane liefern Sauerstoff zum Atmen sowie Nahrung für mehr als ein Drittel der Menschheit. Sie bieten Arbeit und Erholung, sind sowohl Sehnsuchtsort als auch artenreiche, faszinierende Lebenswelten, sie regulieren das Klima und bremsen die menschengemachte Erwärmung der Erde. Die Zukunft der Menschheit ist unmittelbar mit dem Schicksal der Ozeane verknüpft. Jedoch schaffen Klimawandel, Verschmutzung und Übernutzung immer größere Probleme für die marinen Lebensräume.
Wie können wir mit den Küsten, Meeren und Ozeanen so nachhaltig umgehen, dass wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten? Wie sieht eine wünschenswerte Zukunft mit den Meeren aus? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Ocean Future Lab, in dem Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Künstler:innen und Wissenschaftler:innen Ideen und Impulse für eine wünschenswerte Zukunft unseres blauen Planeten zu entwickelten. Das Ocean Future Lab entstand als Projekt im Wissenschaftsjahr 2022 – Nachgefragt!
GESUNDE MEERE – GESUNDE MENSCHEN
In den Zukunftsideen spiegelt sich der Wunsch wider, in Harmonie mit den Meeren zu leben. Gesunde Meere und Ozeane, intakte marine Ökosysteme und sauberes Wasser sind wichtige Voraussetzungen für das dauerhafte Wohlergehen der Menschen, die am und auf dem Meer leben – aber nicht nur für sie. Der “Gesundheitszustand” der Meeresnatur hat weitreichende Bedeutung und ist auch für das Leben an Land überlebenswichtig. Meeresschutz ist daher ein zentraler Wert, der immer berücksichtigt werden muss.

Der studierte Kommunikationsdesigner und Szenograph Jan Schneider hat eine Idee künstlerisch umgesetzt, die Menschen zu nachhaltigem Verhalten motivieren und so zu einer lebenswerten Zukunft auf unserem blauen Planeten beitragen will. Denn die Zukunft liegt nicht im Weltall, sondern im Ozean. Im Jahr 2050 soll eine innovative Station auf hoher See direkte Einblicke in die schwer zugängliche Tiefsee bieten – den größten Lebensraum der Erde. Für den Bau und das Leben dort werden nur nachhaltig gewonnene Ressourcen und Energie aus dem Ozean verwendet.
ARTIST STATEMENT: Dieses Bild ist eine übermalte digitale Fotomontage. Durch den vordergründigen Fotorealismus wird der Eindruck erweckt, es handle sich um die Visualisierung von realen Begebenheiten oder einer in Planung befindlichen konkreten Idee. Um diesen Eindruck zu brechen, habe ich eine symmetrische Bildkomposition gewählt, die das Dargestellte künstlich überhöht und surreal erscheinen lässt.
Wirksam schützen
In den Zukunftsideen spielt Bildung eine sehr wichtige Rolle. Das Meer soll erfahrbar gemacht werden, um die Bedeutung auch für das Leben an Land zu zeigen. Als Grundlage dient hier die Erkenntnis: Man möchte nur das schützen, was man kennt und schätzt. In den Diskussionen war deshalb ein wichtiger Punkt, die nachhaltige Lebensweise auf dem Meer in Form eines Ökotourismus zu vermitteln, für den unterschiedliche Ideen und Ansätze zur Sprache kamen. Lebenslanges Lernen ist ein zentraler Punkt. Transparenz und Bildung sollen mit Hilfe von Meeresplattformen dazu anregen, das Leben an Land zu verändern, mit dem Ziel die Meere dauerhaft zu schützen. Die Menschheit ist auf eine intakte Natur angewiesen.
Dem ökologischen Aspekt wird von den Teilnehmenden ein sehr hoher Stellenwert gegeben. Dieses belegt auch der Feedbackbogen, der jeweils im Anschluss an die Workshops ausgefüllt wurde. Darin wurde auch nach Themen gefragt, die den Teilnehmenden wichtig sind bzw. was ihre größten Sorgen sind. Fast alle Rückmeldungen betreffen die Meeresumwelt. Genannt wurden etwa die Ausbeutung der Meere sowie der Tiefsee, der Verlust von Tier- und Pflanzenarten, die Folgen des Klimawandels für die Meere und daraus folgend auch für die Menschen sowie der viele Müll im Ozean. Diese Sorgen spiegeln sich auch in den Zukunftsszenarien wider, verbunden mit dem Bestreben, Lösungen zu finden und in eine wünschenswerte Zukunft zu steuern.

Chrispy Simon ist Scribble Thinker und Visual Storyteller. Seine Szene aus dem Jahr 2050 zeigt die Stadt Rostock als wichtigen Bildungs- und Erlebnisort. In der Ostsee wird ein schwimmender Teil der Stadt gebaut. Auf einer Plattform können interessierte Menschen Trainings absolvieren. In verschiedenen Projekten arbeiten Wissenschaftler:innen und Unternehmer:innen sowie Studierende und Schüler:innen zusammen.
ARTIST STATEMENT: Konzeptionell und menschlich hat mich das Projekt direkt eingefangen. Ich hatte sofort den Wunsch, noch mehr Formate wie das Ocean Future Lab zu erleben. Solche Impulse sind so wichtig für uns in diesen bewegenden Zeiten.
Nachhaltig Nutzen
Neben dem Meeresschutz als eigenem Wert, haben die Teilnehmenden auch die praktische Umsetzung diskutiert. Die Meere werden auch künftig von den Menschen genutzt, wobei ein respektvoller und nachhaltiger Umgang im Fokus steht. In der Zukunftsvorstellung ermöglicht eine fortschrittliche (Bio)Technologie ein Leben auf dem Meer, wobei der Gedanke im Zentrum steht, dass die Technik die Natur nutzt, ohne sie auszunutzen oder zu übernutzen. Die darauf basierenden Ideen haben eine Kreislaufwirtschaft zum Ziel, zum Beispiel durch das Entwickeln einer „Superalge“. Energie wird klimafreundlich gewonnen mit Wasserstoff und Windkraft.
Angewandte Wissenschaft spielt dementsprechend bei vielen Vorschlägen eine wichtige Rolle. Sie erforscht, wie das Zusammenleben mit den Meeren sowie eine entsprechende Kreislaufwirtschaft funktionieren und wie gesunde Meere dauerhaft garantiert werden können. Die Idee ist dabei, dass die Meeres-Wohnwelten Vorreiter für ein nachhaltigen Leben sind, die Wirtschaft und Natur zum Nutzen beider verknüpfen und von denen andere lernen können.

Katharina Greve ist studierte Architektin und arbeitet als Comic-Zeichnerin, Künstlerin und Autorin. Ihr “lebendiges Museum 2050” knüpft an das heutige Ozeaneum in Stralsund an. In dem Ozeaneum der Zukunft arbeiten alle Interessierten in Forschungsgruppen zusammen und suchen nach Lösungen für eine wünschenswerte Zukunft in die Region. Dazu gehört auch Projektarbeit auf einem Schiff, die als Bildungsurlaub anerkannt wird.
ARTIST STATEMENT: Mich hat an der Arbeit sehr gefreut, dass ich Ideen zur Weiterentwicklung des Ozeaneums in Stralsund und eine positive Vision für die Ostsee visualisieren konnte. Da ich selbst ein großer Fan – nicht nur der Ostsee, sondern auch des Museums bin – hoffe ich sehr, dass uns solche Natur- und Kulturräume noch lange erhalten bleiben.
Gemeinschaft gestalten
Verknüpft mit den wirtschaftlichen Ideen sind Vorstellungen von einem autarken Leben: Energie wird selbst gewonnen, es gibt eigene Bildungssysteme mit viel Freizeit, es wird möglichst viel geteilt. Hier fallen immer wieder ähnliche Stichworte: weltoffen, international, friedlich, gemeinsam. Es gibt eigene Regeln zum Leben auf dem Meer, alle Menschen sind willkommen und es gibt keine Abschottung. Wichtig ist der Gedanke der Partizipation: Alle bringen sich nach ihren Möglichkeiten mit ein und profitieren von der Gemeinschaft.
Das Leben auf dem Meer scheint Inspiration für neue Formen des Zusammenlebens zu bieten. Es werden Sehnsüchte gespiegelt, aus eng empfundenen Alltagsstrukturen auszubrechen und Neues zu wagen. Die Vision eines selbst definierten „guten Lebens“ zu verwirklichen, im Sinne von „alles ist möglich“. Im Fall der Workshop-Teilnehmenden war dies jeweils gekoppelt mit der Version eines nachhaltigen Lebens im Einklang mit der Natur im Allgemeinen und dem Meer im Besonderen.

Sebastian Esposito studiert Szenografie an der Filmuniversität Babelsberg. Seine Szene spielt mitten im Atlantischen Ozean. Dort entstehen in der Zukunft nachhaltig gebaute, schwimmende Wohn- und Arbeitseinheiten. Im Mittelpunkt steht die Produktion und Nutzung von Algen. “Algae Land” ist ein neues Modell für solidarisches und regeneratives Wirtschaften, so dass viele Menschen dorthin reisen, um sich inspirieren zu lassen.
ARTIST STATEMENT: Die Besonderheit an dem Projekt war für mich die Freiheit, meine Werkzeuge und Medien eigenständig zu wählen. Die Herausforderung bei Algae Land bestand darin, mit den Vorlagen, Ideen und Skizzen der Workshop-Gruppe einen Ort aus der Zukunft zu bebildern, der einladend, hoffnungsvoll und utopisch wirkt.
Fazit
In den blauen Weiten unseres Planeten liegt ein Freiheitsversprechen – ein Gefühl, das alles möglich ist. Sie spiegeln den Wunsch nach einem Leben in Harmonie mit der Natur wider. Allem Lebendigen wird ein sehr hoher Stellenwert gegeben und die Meere und Ozeane werden als Kraft- und Lebensquelle gesehen, ohne die wir nicht überleben können. Dies ist aber nicht als romantisch verklärte Sichtweise zu verstehen, da gleichzeitig sehr praktisch über den Einsatz von (Bio)Technologien und nachhaltigen Energiequellen und Ressourcen nachgedacht wird, um eine autarke Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Auch die Form des Zusammenlebens wird mitgedacht, wobei die Gemeinschaft und das Leben in Einheit mit der Natur Werte für sich sind.
Wunsch und Wirklichkeit
Diese Wertvorstellungen stehen nicht im Fokus der aktuellen Meeresraumplanung, die wirtschaftlichen Bedarfen und Nutzungen wie Schifffahrt, Fischerei und aktuell der Energiegewinnung durch Offshore-Windkraft viel Raum gibt. Zwar hat beispielsweise Deutschland 45 Prozent seiner Meeresfläche unter Schutz gestellt. Dennoch befinden sich die Nordsee und die Ostsee in keinem guten ökologischen Zustand.
Die Impulse aus dem Ocean Future Lab sind eine Einladung, die Meere nicht hauptsächlich als Wirtschaftsraum zu betrachten, sondern sie stärker als Lebensraum wahrzunehmen, der nicht zuletzt für unser eigenes Wohlergehen erhalten werden muss. Gesunde Küsten, Meere und Ozeane sind unsere Lebensgrundlage und die Basis für unsere Gesundheit. Wie gut ein Aufenthalt am Meer tut, zeigt auch eine Studie, die im Mai 2023 im Fachmagazin Communications Earth & Environment erschien: Menschen sind gesünder, wenn sie in der Nähe des Meeres wohnen oder sich dort länger aufhalten. Ein Wiener Forschungsteam aus der Umweltpsychologie hat dazu mehr als 15.000 Personen aus 15 Ländern befragt und festgestellt: Je häufiger Menschen sich am Meer aufhielten, desto gesünder waren sie, und zwar unabhängig vom Einkommen. Die Studie fand im Rahmen eines EU-Projekts statt, das Chancen und Risiken von Ozeanen für die menschliche Gesundheit erforscht.
Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie ist aber notwendig, um Diskussionen anzuregen, wie wir wirtschaftliche Nutzungsformen und Meeresschutz zusammen denken und umsetzen können. Klima- und Naturschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ökosystemleistungen, Klimawirkungen und Erholungsbedürfnisse müssen bei den Planungen berücksichtigt werden, um eine wünschenswerte Zukunft mit den Meeren zu gestalten.
